Minimalismus ist in einer Welt des Überflusses und der Dauerbebombung mit Werbung zu einem neuen Schlagwort geworden. Das Leben mit nur dem Nötigsten verspricht auf subtile Weise ein kleines Paradies, einen Art Hort des Friedens und der Ruhe. Wir sind weniger abgelenkt, können uns auf die wichtigen Dinge im Leben besinnen und sind rein ethisch ein voll korrektes Vorbild.
Ich hänge auch diesem Vorbild nach. Ich mag es, die Übersicht zu behalten, Zeit und Raum für mich zu haben und unabhängig vom Konsumdiktat zu sein. Die Idee, dass ich jederzeit mit einem Rucksack losziehen könnte und alles, was ich brauche, dabeihätte, bildet den krönenden Abschluss dieses Leitbildes. Also bin ich doch durch und durch Minimalistin. Oder etwa nicht?
Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich daran so einige Zweifel. Schon einige Male hab ich Anlauf genommen, meinen Kleiderschrank, meine Schuhkisten und die Bücherrregale durchzuforsten und allen möglichen Tand wegzugeben. Dabei ist auch immer eine Menge Zeug angefallen. Ganz erleichtert und stolz lasse ich mich nach solchen Aktionen in meinen Sessel fallen und atme auf. Das Gefühl ist wirklich gut!
Doch dann geschieht etwas Seltsames
Irgendwann nach so einer Aktion, stiehlt sich klammheimlich eine entgegengesetzte Bewegung ein. Ich fange ganz automatisch an, wieder anzuhäufen. In puncto Klamotten verfalle ich sogar dazu, genau solche Teile wieder zu beschaffen, die ich weggegeben hab. Als ob diese eine viel zu tiefsitzende Jeans, die ich eigentlich nie angezogen habe, trotzdem einen festen Platz in meinem Repertoire an Kleidung braucht. Und ein curryfarbener Schal doch immer zu meiner Wintergarderobe gehört – auch wenn er nur alle fünf Jahre getragen wird.
Es ist auch nicht so, dass ich dann viel mehr anhäufe als zuvor. Es scheint einfach eine gewisse Anzahl, eine gewisse Ober- und Untergrenze an Sachen zu geben, mit denen ich mich gut fühle. Die mir wahrscheinlich ein Maß an Sicherheit geben.
Nach einer Phase des Anhäufens kommt dann wieder eine Phase des Weggebens …
Bin ich also nicht der Typ Minimalistin?
Scheinbar nicht! Ich bin offensichtlich nicht fähig – oder gewillt –, mit richtig wenig auszukommen.
Pah, das hätte ich aber nicht gedacht. Beim nächsten Mal überschreite ich einfach mal die Untergrenze. Wenn ich diese sukzessive runterschraube, könnte ich irgendwann bei einem minimalen Haushalt ankommen.
Ich frage mich nur, ob es vielleicht gar nicht in meiner Natur liegt, Minimalistin zu sein? Vielleicht ist der Sammeltrieb in mir besonders stark ausgeprägt.
Oder es ist das, was die Buddhisten „Anhaftung“ nennen? Anhaftung sei die mächtigste Waffe, mit der Maya* den Menschen an das Rad von Geburt und Tod kettet, heißt es da. Und da alle Erscheinungen vergänglich und unbefriedigend seien, erschaffe man sich zusätzliches Leid, wenn man nicht loslassen könne.
Hmpf, also dann doch nochmal ein Anlauf …
*Maya steht im Buddhismus u.a. für Illusion