Yogapraxis zum Wohlfühlen
Die Yogapraxis, die in den westlichen Ländern favorisiert wird, ist oft noch sehr leistungsorientiert. Dann geht es mehr um die weiteste Dehnung oder die fortgeschrittenste Positionsausführung. Zu wenig werden die Asanas als ein ganzheitlich auf Körper und Geist wirkendes System betrachtet.
Deshalb habe ich mich bei meiner Ausbildung für Hatha-Yoga entschieden. Hier bleibt man länger in den jeweiligen Positionen. Man hat Zeit sich in die einzelnen Positionen einzufinden, zu spüren, an welchen Stellen es Grenzen oder auch Potenzial gibt. Zudem kann man sich bewusst der Atmung widmen. Und ganz nebenbei wird das Gefahrenpotenzial minimiert.
Mindestens vier tiefe, lange Atemzüge mache ich bei jeder Asana. Meist hab ich erst beim letzten Atemzug die Position richtig inne. Ich gehe zuerst in eine etwas angenehmere Vor-Position und arbeite mich dann langsam in die jeweilige Dehnung ein. Dabei schaue ich, wie es sich anfühlt, und vermeide starkes Ziehen o.Ä. Erst mit weiteren Atemzügen lote ich aus, wie weit es geht.
Wenn ich die Atmung bei den Übungen vernachlässige, merke ich schnell, dass sie nicht so guttun wie sonst. Die Atmung hat sich für mich als sehr wirksam erwiesen. Spannungen, leichte Kreislaufbeschwerden und Müdigkeit lassen sich damit fast immer wegzaubern. Am effizientesten finde ich hier eine langsame Atmung tief in den Bauch hinein.
Individuell angepasste Praxis
Die Yogapraxis sollte möglichst an die individuellen Bedürfnisse und Beschwerden der Praktizierenden angepasst werden. Hier ist einerseits ein guter Lehrer, eine gute Lehrerin wichtig, die sich bestens mit dem Bewegungsapparat auskennen. Aber auch die Schüler selbst sind gefragt. Wenn es irgendwo zu sehr spannt, drückt oder gar wehtut, weiß das der Betroffene zuerst. Dann ist es sinnvoll, die Haltung erst einmal zu lockern, innzuhalten und tief in den Bauch zu atmen.
Ganz typische Problemstellen des Körpers sind Knie, Hüften und Wirbelsäule, da sie empfindlich sind und durch unsere moderne Lebensweise (z.B. viel Sitzen) überstrapaziert sein können. Die korrekte Stellung der Knie und Hüften sowie die Aufrichtung der Wirbelsäule und des Nackens haben Vorrang. Hier geht es nicht darum, dass die Positionen schön aussehen, sondern dass sie dem Körper gute Impulse geben, sich aufzurichten, zu harmonisieren – innerlich wie äußerlich. Dann kann das Yoga seine heilsamen Wirkungen entfalten und richtig guttun.
Ich selbst habe eine Phase starker Rückenschmerzen erst durch Yoga wegbekommen. Andere Bewegungsmethoden halfen bis dahin nicht. Und ich kenne eine Menge Leute, die Knie- und Rückenprobleme mit Yoga in den Griff bekommen haben. Mit einer regelmäßigen Praxis allerdings. Man muss dranbleiben. Am besten übt man täglich – und wenn es nur je zwei, drei Übungen sind. Je häufiger man sich mit Yoga beschäftigt, umso besser wirkt es. Daher lieber ein paar Mal pro Woche kurz als nur einmal die Woche für eine Stunde.
Typische Problemzonen und Verspannungen
Die meisten Problemzonen sind auf Verspannungen zurückzuführen. Es ist ein wenig wie bei einem Bogen. Eine gewisste Spannung ist gut, aber wenn er stetig weiter gespannt wird, verzerrt sich alles und steht unter Druck. Dabei entsteht eine energetische Blockade, die unsere Lebensenergie nicht mehr richtig fließen lässt. Das Ziel einer guten Yogapraxis ist daher, dass Prana, die Lebensenergie, wieder ungehindert durch uns fließen kann. Dafür muss Entspannung in die betroffenen Zonen.
Das bewusste Wahrnehmung der Empfindungen in diesen Körperbereichen kombiniert mit einer tiefen Atmung hat dabei den heilsamsten Effekt. Dafür kann man sich beim Hatha so viel Zeit nehmen, wie man mag. Manchmal muss man einige Minuten „hineinspüren“ und atmen, um eine Verbesserung zu spüren. Doch wenn sich gar nichts tut, sollte man auch nicht darauf beharren. Dann besser einfach eine andere Übung machen, die z.B. Bereiche um die Problemzone herum einbezieht und somit die Randbereiche auflockern kann.
Atmung – das A und O unseres Wohlbefindens
Im Yoga heißt es, dass mit jedem Atemzug Prana, Lebensenergie, aufgenommen wird. Die Atmung wird „Pranayama“ genannt, wobei „ayama“ Ausbreitung bedeutet. Demnach ist Atmung die „Ausbreitung der Lebensenergie“. Eine bewusste, langsame Atmung wirkt lösend und entspannend. Allerdings ziehen sehr viele Menschen den Bauch unbewusst ein und atmen zu flach. In der Yogatherapie wird dann beobachtet, dass die Bauchmuskeln verspannt sind. Das wiederum löst häufig Beschwerden im Rückenbereich aus.
Überhaupt habe ich gemerkt, dass eine Entspannung des Bauchbereiches für Entspannung im gesamten Organismus sorgt. Der Bereich um den Nabel wird nicht umsonst als unsere Körpermitte angesehen. Bei einer unzureichenden Atmung nehmen viele Beschwerden hier ihren Anfang. Wahrscheinlich, weil wir bei Stress mit einer Art gepresster Atmung reagieren.
Effektiv wirkt Yoga bei verspannten Schultern und Nacken, Enge im Brustbereich, Hüft- und Knie- und Rückenproblemen. Aber nicht nur das. Wenn man es mit einer tiefen Bauchatmung und einer achtsamen Haltung kombiniert, wirkt Yoga ebenso auf die seelische Verfassung harmonisierend. Man fühlt sich danach entspannter, ausgeglichener und leicht.
Innerlich ausgeglichen, äußerlich aufrecht
Unsere innere und äußere Haltung bedingen sich. Wie wir uns innerlich fühlen, strahlt nach außen. Gehen wir aufrecht durchs Leben oder gebückt, belastet? Psychische Faktoren wie Stress, Ärger und Ängste manifestieren sich im Körper, verdichten die Energien und brauchen unsere Aufmerksamkeit, damit es wieder frei fließen kann.
Indem du beim Yoga bewusst aufkommende Gefühle und Empfindungen wahrnimmst, lernst du dich selbst ein Stück weit besser kennen. Und du kümmerst dich aktiv um deine „Baustellen“. Die Wechselwirkungen von Körper und Geist werden direkt erfahrbar.
Hatha bedeutet die Kraft, Gegensätze zu vereinen, gegensätzliche Energien wie Sonne und Mond (Ha = Sonne, tha = Mond), heiß und kalt, männlich und weiblich, positiv und negativ. Dies ist noch eine tiefere Ebene, auf der Yoga wirkt. Mit der Zeit erkennt man, dass bestimmte Energien sich z.B. heiß oder kalt anfühlen. Durch das Bearbeiten der entsprechenden Bereiche kommen die Werte sozusagen wieder auf Normalnull.
Um Yoga auf diese Weise zu erfahren, ist es anfangs ratsamer, einfache Asanas zu machen – diese aber dann besonders bewusst und ruhig. Das zeigt erfahrungsgemäß am schnellsten positive Wirkungen. Später kannst du zu den schwierigen „Verrenkungen“ kommen.
Mit der Zeit entwickelst du einen neuen Körpertonus, das Körpergedächtnis wird effektiv trainiert und dein Wahrnehmungsspektrum für Energien wird breiter. Bei den einzelnen Übungen kannst du dich immer wieder reminden: „Lass dir Zeit und atme tief und langsam in den Bauch“. Dann ist eine wohltuende Yogapraxis garantiert.