Sand bedeckt meinen ganzen Körper, stöbert in meinen Ohrmuscheln, zieht durch meine Nase, perlt zwischen meinen Wimpern. Der pfeifende Wind wirbelt die kleinen Körner weit ins Land hinein, das noch meilenweit entfernt auf uns warten soll.
In der Dämmerung des Abends werden glasumwobene Lichterkugeln entzündet, die henkelblechern im Wind schaukeln. Jedes der Tiere wird am Hals vom Schein des Lichts umspielt, während ein großer uns wohl bekannter Stern vom Himmel blinzelnd den Weg weist.
Vor Sonnenaufgang schlagen wir das Lager auf, flatternde Flügel, die besänftigt werden müssen. Immer noch stehe ich unter Okkupation der Sandkörner, spüre wie sie langsam eins werden mit meiner Haut. Für wenige Stunden finde ich schiffsgleichschwankenden Schlaf.
Im Traum sind Sandkörner in die Unterschichten meiner Haut vorgedrungen, dann in die Blutbahn, wo sie Blockaden errichtet haben und ärgerliche Parolen brüllen, um mehr Freiheiten zu fordern. (Einige sehnsüchtige versuchen, in meiner Gebärmutter Kind zu spielen.)
Einer verteilt trockene Früchte an die anderen, und papyrusgleich gerolltes Brot. Jeder nimmt tiefe Züge aus seiner gütigen Wasserflasche. Kaum jemanden scheint es nach dem anderen zu verlangen. Wir sind alle Fremde untereinander.
In der dunkelnden Dämmerung hat der Sturm endlich erschöpft nachgelassen. Die Tiere schaukeln wieder im wandernden Licht der Henkellampen, und der Stern liegt uns nun beinahe zu Füßen, wie um das auf uns zuschreitende Land verlockender zu zeichnen.
Im Sonnenaufgang verirren sich meine Augen in hitzegebrochener Lichtspielerei, verleiten meine Nerven zu Fehlmeldungen, von denen mich die Mitreisenden sanft überzeugen müssen. Nachher lasse ich mich enttäuscht von den Zügeln in der Hand blindführen.
Im Zelt begegnen meine nun weit geöffneten Augen einem sandhellen Skorpion, der tränzelnden Lautes auf meiner Matte herumirrt. Angsterfüllt erbleichen meine Lippen, erschauern die Härchen auf meiner Haut. Der Verirrte wittert, Totenstille … und macht mißtrauisch kehrt.
In der Abenddämmerung scheinen die glasumschaukelten Hälse der Tiere zu zittern. Die Flammen in den Kugeln flackern kleinlich wie der Stern, der sich fast am Horizont zerschneidet. Ein Reiter fällt lautlos von seinem Wüstengefährt und wird umsorgt, bis er wieder seinen gewohnten Platz einnimmt.
Als ich schlaftrostlos vor das Zelt trete, zielt die Sonne im Zenit schnurstracks mit ihrem heißen Geschoß auf mich. Im gleißenden, weißen Licht nehme ich einen tiefen Zug des Bildes vor meinen Augen aus der Ferne. Dieses Mal ist es keine Irrung hitzespielerischer Lichtung.
Früher als gewohnt, vorfreudig ängstelnd, brechen wir wieder auf. Samtweiche unberührte Dünen, wie Riesenzelte von perfektionshungrigeren Erschaffern als denen der Städte, bäumen sich vor uns auf – wie Pferde, die sich der Bezähmung erwehren.
Tief in der Nacht erreichen wir endlich Land. Wachsame Hunde beargwöhnen uns kläffend aus einigen Metern Abstand. Unter unseren Füßen knistern plötzlich die Sandkörner wie dünne Muschelschalen, während unsere Ohren durstig das Plätschern von Wasser in sich aufsaugen.
Am Morgen erwacht das Land von Menschen, die uns neugierig umringend betrachten. Sie versuchen uns neue Worte zu entlocken und sind enttäuscht, daß wir fremd und zurückhaltend unseren Mund nur ganz leicht vertikal öffnen, um unsere Lautlehre zu flüstern.
Am Abend ziehen wir durch die Gassen, splintzeln durch Halböffnungen von Räumen, in denen Rauchschwaden aus Mündern an schlanken Schläuchen entlanggleiten, Stimmen und klatschende Musik zu einer wirren Runde zusammentanzen.
In einem prunkvollen Bau bewirtet man uns mit warmen Speisen und Wein. Fast ehrfürchtig werden wir hier aus einer übergebührenden Entfernung beachtet. Wir nehmen soviel wir brauchen und gehen uns dankend verneigend zu unserem Lager am Rande des Landes zurück.
Als ich morgens erwache, vernehme ich Geschrei und Lärm. Der linke Flügel meines Zeltes wird mit einem Mal von außen fortgerissen. Ein Kreis von Menschen blickt auf mich herab und ruft, vereinzelt wütend, vereinzelt bedrohlich im Ausdruck, Unverständliches zu mir am Boden.
Erschrocken packe ich meinen Beutel und laufe davon. Bald schon erblicke ich die anderen, die mir die Hände reichen und mich fortziehend retten vor den Krakenarmen hinter mir. Über den Wüstenrand hinaus folgt uns nie jemand.
Ein Sandsturm kommt auf, nichts ist uns näher.
© Gina Janosch